Logo GWRS Wuchzenhofen
Schulbild1

Die Entwicklung der Dorfschulen in der Gemeinde Wuchzenhofen

Vorwort

Im Jahre 1346 wird erstmals von einem Schulmeister Ortoff in Leutkirch, wohl dem einzigen Schulort in der Umgebung, berichtet. Sicherlich wurde diese Gelegenheit zum Schulbesuch von Jugendlichen der Gemeinde Wuch­zenhofen auch genützt, zumal hier ein solches Angebot erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts gemacht werden konnte. Zu dieser Zeit war der Schulbesuch noch freiwillig. In der Regel erteilte der Mesner unter Aufsicht des Pfarrers Unterricht im Lesen, Schreiben und Rechnen, Religionsunterricht aber der Pfarrer. Eine finanzielle Er­leichterung brachte die Übernahme der Schullasten durch Stiftungen, später durch die Gemeinde. Im Jahre 1776 ließ die Kaiserin Maria Theresia ein Dekret über die Einführung der allgemeinen Schulpflicht veröffentlichen. Die Durchfüh­rung erfolgte bei uns etwa um 1800.

Wuchzenhofen

In Wuchzenhofen stand 1353 eine Kapelle. Von 1763 an wurde dort jeden Monat und im letzten Jahrhundert alle Wochen eine HI. Messe gelesen und hiermit der katecheti­sche Unterricht in der Schule verbunden. Weiter steht in einem Schulbericht von Leutkirch aus dem Jahre 1802: Die nächsten Schulen (von Leutkirch) waren ... Wuch­zenhofen und Niederhofen.
Bei Errichtung der Schule in Wuchzenhofen wurde an das Haus des Mesners von Seiten der Gemeinde ein Schulsaal angebaut, wo bis 1829 Schule gehalten wurde.
Erste Lehrer waren die Mesner der Filialkirche, Madlener, zunächst Vater, dann Sohn und schließlich Schwiegersohn Graf. Unterrichtet wurde in den Fächern Lesen, Schreiben und Rechnen. Religionsunterricht wurde bis 1844 von einem Vikar aus Leutkirch, später vom Pfarrer in Wuchzen­hofen erteilt. Sachkundegebiete, Zeichnen, Singen, Sport und Handarbeit erschienen erst später als eigene Fächer. Als der Platz im Schulraum für die Schüler nicht mehr ausreichte, erstellte die Gemeinde im Jahre 1829 ein einstöckiges Schulhaus am Fuß des Hügels, auf dem die Kirche steht, und zwar in der Nähe der Pfarrgarage (1863 abgebrochen).
Schon vor Errichtung der Pfarrei (1844) gehörten zum Schulverband: Wuchzenhofen, Adrazhofen, Allmishofen, Tannhöfe, Kesselbronn und Neumühle. Ein Bericht vom 10. Januar 1842 weist folgende Schülerzahlen der Einklas­senschule mit Abteilungsunterricht aus: 109 Werktags­und 39 Sonntagsschüler (= Fortbildungsschüler nach der Schulentlassung). Am 1. Mai 1859 war die Zahl der Schü­ler auf 70 gesunken. Ein Antrag des Lehrers auf Bewilli­gung von Abteilungsunterricht wurde mit der Begründung abgelehnt, dass die Richtzahl 60 nur unwesentlich (!) über­schritten sei. Eine Schülertabelle von 1873 zeigt die Schü­lerzahl und ihre Herkunft sehr deutlich auf:

In Wuchzenhofen gab es neben anderen Stiftungen auch eine Schulstiftung zugunsten armer Schüler.
Allgemeine Mängel, Raumnot, Feuchtigkeit und fehlende Lehrerwohnung zwangen die Gemeinde zum Bau eines Schul- und Rathauses mit Lehrerwohnung im 1. Stock. Im Jahre 1862 konnten Schule, Lehrer und Bürgermeister im neuen Gebäude einziehen.
Ende Oktober 1902 verließen die Schüler des neuen Schulbezirks Adrazhofen die Schule Wuchzenhofen. Das Ratszimmer der Schule Wuchzenhofen wurde frei und dem Lehrer zur Verfügung gestellt bis zur Errichtung einer 2. Lehrerstelle am 1. April 1964.
Letzter Schulleiter in Wuchzenhofen war Georg Niedermai­er, der mit Ausnahme der Kriegsdienstjahre seit 1936 an der Schule tätig war.

Adrazhofen

Beim Schulbezirk Wuchzenhofen
Die Schüler von Adrazhofen, Allmishofen, Kesselbronn und Neumühle besuchten bis zum Oktober 1902 als „Auswärti­ge", d. h. nicht zur Pfarrei Gehörige, die Volksschule in Wuchzenhofen.
Neuer Schulbezirk Adrazhofen
In den Jahren 1901/02 war in Adrazhofen eine neue Schu­le mit Rathaus und Lehrerwohnung erbaut und ein neuer Schulbezirk, dem außer den o. a. Ortschaften noch Balte­razhofen und Wielazhofen angehörten, errichtet worden. Drei Tage vor der Übergabe der Schule trat Lehrer Baier den Dienst in Adrazhofen an.
Am 28. Oktober 1902 war es soweit. Stadtpfarrer Gehring feierte zu Beginn einen Gottesdienst in der Kapelle, wobei ' der Kirchenchor von St. Martin sang. Danach nahm der Geistliche die kirchliche Weihe der Schule vor. Nach der kirchlichen Feier folgte die weltliche im Gasthaus zum
„Schwarzen Adler". Unter den geladenen Gästen befanden sich u. a. der Schulinspektor, Pfarrer Dannecker von Schloss Zeil, und der bisherige Ortsschulinspektor, Pfarrer Müller von Wuchzenhofen, der sich ganz besonders für die Errichtung der neuen Schulstelle in Adrazhofen eingesetzt hatte. Von Leutkirch war Oberamtmann Gaiser gekommen. Die Wohnung des Lehrers war prächtig geschmückt, was überall einen „trefflichen Eindruck" machte. Nach Angaben des Lehrers waren es zunächst 73 Schüler, dann 80 (1908) und später 90. Ein damaliger Schüler ergänzte, es seien kurzfristig sogar über 100 Schüler gewesen. - Und das in einer Einklassenschule! - Diese hohe Schülerzahl machte einen 36stündigen Abteilungsunterricht notwendig. Nun stellte sich aber auch die Frage, ob Adrazhofen zwei­klassig geführt oder aber in Wielazhofen eine neue Schul­stelle errichtet werden solle. Die bürgerlichen Kollegien entschieden sich für letzteres.
Ständige Lehrer in Adrazhofen waren: Urban Baier, Xaver Heiß und Anton Schmid.

Wielazhofen

Bevor die stadtnahen Orte Balterazhofen und Wielazhofen ihre eigene Schule hatten, schickten sie ihre Kinder nach Leutkirch und ab 1902 nach Adrazhofen.
Beim Schulbezirk Leutkirch
Laut Stadtratsbeschluss vom 10. Oktober 1843 gehörten damals 32 von insgesamt 189 Familien aus Balterazhofen, Wielazhofen und Allmishofen zum Schulverband der katho­lischen Volksschule in Leutkirch. Dies entsprach rund einem Sechstel des gesamten Schulverbands. Darum hatte die Gemeinde Wuchzenhofen auch ein Sechstel der Lehrerbesoldung zu bezahlen.
Beim Schulbezirk Adrazhofen
Nach Fertigstellung der katholischen Volksschule in Adraz­hofen im Jahre 1902 wechselten die Schüler der o. a. Teilorte von Leutkirch nach Adrazhofen über. - Der Schul­weg bereitete so manche Schwierigkeiten, besonders im Winter. Des Öfteren erbarmte sich ein Bauer der Kinder, spannte sein Pferd vor den Schlitten, fuhr zur Schule und holte die Kinder nach Unterrichtsschluss wieder ab. So 'ne Schlittenfahrt machte schon Spaß! Und war's mal eiskalt oder total zugeschneit, drückte der Lehrer ein Auge zu, wenn dann viele Bänke leer blieben.

Neuer Schulbezirk Wielazhofen
Der rasche Anstieg der Schülerzahlen machte einen Schul­hausbau in Wielazhofen notwendig. Dieser wurde 1912 begonnen. Zum neuen Schulbezirk gehörten Wielazhofen, Balterazhofen mit Einödhöfen, einschließlich derjenigen Schüler, die bisher die Volksschule in Hofs besucht hatten. Die Einweihung der Schule fand am 1. Mai 1913 bei strö­mendem Regen statt und wurde von Stadtpfarrer Gehring vorgenommen. Nur gut, dass es im kleinen Dorf eine Wirt­schaft gab! - Wie groß mag die Freude der Schüler gewe­sen sein, als der weite Schulweg entfiel und sie sich am Morgen noch einmal im Bett 'rumdrehen konnten! Ständige Lehrer in Wielazhofen waren: Franz Sauter, Klemens Gaiser und Karl Kopp.

Ottmannshofen

Der Ort war vom Jahre 970 bis 1840 eine Filiale der Pfarrei Aichstetten und besaß seit 1598 eine Filialkirche. Dies war eine günstige Voraussetzung für die Errichtung einer eige­nen Schule im Jahre 1744, an der Jakob Bareth an Stelle des Mesners Johann Dilper, der wegen einer gebrechli­chen Hand diesen Dienst nicht ausüben konnte, unterrich­tete. Seine Ausbildung holte J. Bareth später nach und schloß sie mit einer Prüfung vor dem Königlichen Landge­richt in Kempten ab. Danach wurde Bareth als Lehrer in Ottmannshofen bestätigt. Meßner- und Schuldienst blie­ben getrennt - nicht zum Vorteil der beiden Familien.
Im kleinen, einstöckigen Schulhaus Nr. 17 war für den Unterricht nur wenig Platz, zumal sich darin auch die Lehrerwohnung mit nur einem Wohn- und zugleich Schlaf­zimmer 12' (= rd. 3,5 m) lang und ebenso breit befand. Ein „Schlupfwinkel", wie es Lehrer Stumpp bezeichnete. 1840 wurde das Haus renoviert und das Schulzimmer auf 46 qm erweitert.
Im gleichen Jahr wurde anstelle der bisherigen Schulver-weserei eine eigene Normschule eingerichtet und dem Lehrer Stumpp übertragen. Zwei Jahre später zog Stumpp in die 50 m vom Schulhaus entfernte Wohnung des Mes­ners ein und übernahm auch dessen Dienstgut.
Im Durchschnitt besuchten 1840-42 in Ottmannshofen 21 Werktagsschüler und 10 Sonntagsschüler die Schule. Obwohl Dilpersried im Jahre 1810 bayerisch geworden (besser: „geblieben") war, gingen die Schüler weiterhin in Ottmannshofen zur Schule.
Als erster Pfarrer zog Franz X. Schobel im Jahre 1850 in der neu errichteten Pfarrei Ottmannshofen auf und über­nahm den Religionsunterricht.
1896 wurden Mesner- und Lehrerstelle erneut getrennt. Im gleichen Jahr wurde das Schulhaus instandgesetzt und das von der Kirchenpflege ab diesem Zeitpunkt überlasse­ne Bauernhaus Nr. 18 - Wohnhaus mit Stallung und Scheune - vom neuen Lehrer Moser bezogen. Diese Wohnungsregelung blieb beschränkt auf die Zeit bis zum Schulhausneubau.
Laut Eintragung im Realkatalog von 1908 waren „sommers die meisten Kinder im Dienst", d. h. nicht in der Schule. Ab 1930 stiegen die Schülerzahlen von 32 auf 81 im Jahre 1945 und gingen bis zum Schuljahr 1955/56 auf 42 zu­rück.
Was für die Bevölkerung von Ottmannshofen seit dem Jahre 1912 ein Wunsch war, wurde in den Jahren 1934-36 mit dem Bau eines neuen Schulhauses mit Lehrerwohnung Wirklichkeit. Die Einweihung fand am 24. Oktober 1936 statt.
Heute besuchen die Grundschüler die Grundschule Aus­nang, die Hauptschüler (einschließlich Dilpersried) die Grund- und Hauptschule Wuchzenhofen.
Letzter ständiger Lehrer in Ottmannshofen war Alois Leh­mann.

Niederhofen

In Niederhofen wurde 1792 der erste Schulbetrieb aufge­nommen. Nachweisbar war 1801 ein Lehrer in Niederhofen tätig, wurde der Religionsunterricht vom Pfarramt in Leut­kirch erteilt und 1802 die Schule in einem Bericht der Stadt Leutkirch aufgeführt. Aus dieser Anfangszeit stammt das ältere Schulhaus, Niederhofen 33, das heute als Wohnhaus verwendet wird. 1842 besuchten 51 Werktags­und 32 Sonntagsschüler (= Fortbildungsschüler) die Schu­le.
Im Juni 1891 wurde die Verfügung des Königlichen Mini­steriums über die Bildung des Ortsschulrats veröffentlicht. Wie an anderen Orten wurden in der Folgezeit die Mitglie­der dieses Gremiums gewählt: Stadtpfarrer Stützle als Ortsschulaufseher, Anwalt Schoder als Ortsschulrat, dazu drei Eltern. Lehrer Schafknecht war bei der Wahl anwe­send.
1892 war die Schule zweiklassig, später zeitweilig einklas­sig und von 1958 bis zur Auflösung 1966 ständig zweiklas­sig.
Lehrer Schafknecht beschwerte sich 1896 vor dem Orts­schulrat über einige Sonntagsschüler, die ihm den Weg zur Kirche versperrt hätten. Es wurde beschlossen, ihnen vor versammelter Ortschaftsbehörde eine Rüge zu erteilen. Niederhofen besaß eine eigene Schulkasse, die 1912 an die Gemeindekasse Wuchzenhofen überging.
1915 erhielt der Schulverband Niederhofen/Mailand ein neues Schulhaus mit Lehrerwohnung.
1925 wurde die Sonntagsschule für Mädchen aufgehoben und eine gemeinsame Fortbildungsschule eingeführt.
Bei Einführung der Grund- und Hauptschule im Jahre 1966 wurden die Klassen 5 und 6 der Grund- und Hauptschule Schloß Zeil, die Klassen 7 bis 9 der Grund- und Haupt­schule Diepoldshofen zugeteilt. Die einklassige Grund­schule verblieb zunächst noch am Ort, wurde aber 1972 von der Grundschule Oberer Graben in Leutkirch über­nommen. Zur Schülerbeförderung wurden Busse einge­setzt.
Letzter Schulleiter in Niederhofen war Martin Reutlinger.

Schlusswort

Abschluss der Entwicklung der Dorfschulen
Nach Errichtung des 5. und zugleich letzten neuen Schul­bezirks Wielazhofen (1913) und der Erstellung eines Schul­gebäudes sowie der Besetzung dieser Schulstelle war in der stark parzellierten Gemeinde Wuchzenhofen flächen­deckend eine für die Schüler zumutbare Entfernung zur Schule geschaffen worden; denn Schulbusse gab es damals noch nicht.
Ein vorläufiger Schlussstrich unter den Neubau von Schul­häusern sollte sicherlich mit Abschluß der Bauarbeiten an der Einklassenschule in Ottmannshofen (1936) vollzogen werden.
Schule im Dritten Reich
In den Jahren 1933-45 standen weniger die Raumproble­me als vielmehr grundlegende Veränderungen in der Vor­gabe der Unterrichtsziele und Stoffpläne im Vordergrund, wobei die Erziehung zum kritiklosen Gehorsam und der Führungsanspruch der deutschen Rasse einen hohen Stellenwert besaßen. Nicht zur Kritik und Diskussion, sondern zur bedenkenlosen Ausführung von Anordnungen sollten die Schüler erzogen werden. Sport zielte auf Abhär­tung des Körpers als eine Form der vormilitärischen Aus­bildung ab. Trotz Befragung oder Bespitzelung fand ein Großteil der Lehrer einen tragbaren Mittelweg, einzelne riskierten sogar ein völliges Ignorieren überzogener Vor­schriften.
Nach Kriegsende war eine Neuorientierung im Bereich der Volksschule notwendig.
Die Entwicklung der Gemeinde zwang zu neuen Überlegungen.
Drei Sachverhalte waren den Schulen im Allgäu gemein­sam:
1. Zuzug evakuierter Schüler,
2. Zugänge von Schülern der Heimatvertriebenen, 3. ansteigende Kinderzahl.
Dagegen stand eine minimale Versorgung der Schulen mit Lehrkräften und der Einsatz von Hilfskräften in überfüllten Klassen. Dazu kamen die Folgen der Entwicklung der Gemeinde und des wirtschaftlichen Aufschwungs, im einzelnen
1. vermehrte Anfragen Bauwilliger, 2. Füllen von Baulücken,
3. Festlegung von Bauerwartungsflächen, 4. Ankauf von bebaubaren Grundstücken, 5. Planung und Vollzug der Erschließung von Baugelände, 6. Entstehung neuer Siedlungen und folglich
7. Ansteigen der Schülerzahl innerhalb der Gemeinde. Diese Veränderungen erkannten Gemeindeverwaltung und Gemeinderat als Alarmzeichen. Sie zogen daraus nach Rücksprache mit Bezirksschulrat Mehrle den folgerichtigen Schluß: Abhilfe der angespannten Lage innerhalb des Schulbereichs der Gemeinde Wuchzenhofen kann nur ein Schulhausneubau bringen.

Verwendung der altehrwürdigen Schulhäuser nach Auflösung der Dorfschulen
In Wuchzenhofen, Niederhofen, Ottmannshofen und Adrazhofen entstanden Übungs- und Gemeinschaftsräume für Feuerwehr, Vereine und Ortschaftsverwaltung. Die Wohnungen wurden vermietet. Die ehemalige Schule in Wielazhofen wurde verkauft.